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Türsturz über der ehemaligen Rathauspforte

Die mittelalterliche Burg in Ofterdingen - Ofenkacheln geben Hinweise auf ihre Lage

(Gerhard Kittelberger)

Als Hermann Birkenmaier im Frühjahr 2012 damit begann, Schäden an der Fachwerkkonstruktion seines Scheunenteils in der Berggasse zu reparieren, konnte er nicht ahnen, dass er auf archäologisch bedeutende Funde stoßen würde. Beim Aushub für ein neues Betonfundament entdeckte er im gewachsenen Lettenkies eine runde, mit leichterem Material gefüllte Grube. Bei der näheren Untersuchung stellte es sich heraus, dass sich darin Asche und Holzkohlestückchen befanden, außerdem zahlreiche Keramikscherben sowie ein vollständig erhaltener Becher. Die genannte Scheuer in der Berggasse hat die Nummer 8 (1823 und 1847 Nr. 126a, später 146a) und ist seit langem geteilt. Die südliche Hälfte gehörte Frau Maier, von der sie Hermann Birkenmaier im Jahr 2012 erwerben konnte.

Es ist der Umsicht und Sorgfalt von Hermann Birkenmaier zu verdanken, dass die gefundenen Scherben nicht verloren gingen, sondern einer archäologischen Untersuchung zugeführt werden konnten. Zuständig dafür ist die Abteilung Archäologie des Mittelalters beim Regierungspräsidium Tübingen. Die dortige Spezialistin Dr. Beate Schmid war so freundlich, die Funde zu begutachten. Schon beim ersten Augenschein bestätigte sie die Einschätzung als mittelalterliche, becherförmige Ofenkacheln. Ihnen haftete sogar noch ein wenig Ofenlehm an.

Ofenkacheln

Scherben von Ofenkacheln

Frau Dr. Schmid schrieb in ihrem Gutachten:
Bei dem Ofterdinger „Ofenkacheldepot“ handelt es sich eindeutig um das Abbruchmaterial eines Kachelofens, mit dem offenbar eine ehemalige Pfostengrube verfüllt wurde, nachdem man den Pfosten gezogen hatte.
Kachelöfen mit Becherkacheln waren seit dem Hochmittelalter bekannt, blieben allerdings zunächst auf ein adeliges und klösterliches Milieu beschränkt. Die Proportion der Ofterdinger Becherkacheln, deren Randdurchmesser schon fast dasselbe Maß aufweist wie die Höhe, spricht ebenso wie der gekehlte Rand, die gleichmäßige Riefung der Wandung sowie die Warenart (oxidierend gebrannte Jüngere Drehscheibenware) für einen relativ jungen zeitlichen Ansatz. Es handelt sich um eine Übergangsform der Becherkachel zur Napfkachel. In Frage kommt eine Datierung in das fortgeschrittene 13. bis frühe 14. Jahrhundert. Vergleichbare Öfen zeigen z.B. Freskomalereien des frühen 14. Jahrhunderts im „Haus zum langen Keller“ in Zürich sowie im „Haus zur Kunkel“ in Konstanz. Damit ist auch das soziale Umfeld angesprochen, in dem solche Öfen zu erwarten wären: Das gehobene städtische Bürgertum und der niedere Adel. Kachelöfen wie auch Wandmalerei und Fensterverglasung sind Indizien für einen Wohnkomfort, den sich nicht jede(r) leisten konnte.

In der Tat hatten im 14. Jahrhundert mehrere Adelige und Stadtbürger in Ofterdingen Besitz. Die einzigen Nachweise für einen Adelssitz im Dorf, also für ein befestigtes Haus oder sogar eine aus Steinen erbaute Burg, stehen aber in Verbindung mit einem Adelsgeschlecht, das sich nach dem Dorf Ofterdingen benannte und folglich auch hier ansäßig war. Diese Familie “von Ofterdingen” trat nach der urkundlichen Überlieferung nur mit zwei Generationen auf. Es kann daher vermutet werden, dass die “Ofterdinger” einer anderen Adelssippe angehörten und sich nur vorübergehend auf ihren Ofterdinger Besitzungen niedergelassen hatten.

Der 1344 bereits verstorben Heinrich von Ofterdingen hatte drei Töchter hinterlassen. Eine von ihnen war mit einem Herrn von Pfullingen vermählt gewesen und ebenfalls schon tot. Ihre beiden überlebenden Schwestern Benie und Elisabeth vermachten 1344 ihre Besitzanteile am Dorf an ihren Neffen Benz den Pfullinger. Dabei handelte es sich ganz oder großenteils um zollerische Lehen. Von Berchtold (Benz) dem Pfullinger wird nun 1345 gesagt, er sei “zu Ofterdingen gesessen”. Daraus kann geschlossen werden, dass er hier einen Wohnsitz besaß und ihn auf unterschiedlichen Wegen von den drei Schwestern “von Ofterdingen” erhalten hatte.

Etwa zur gleichen Zeit traten in Ofterdingen grundlegende Veränderungen ein. Die Herren von Pfullingen müssen die ihnen verliehenen Rechte und Besitzungen verloren haben, doch sind die näheren Umstände unbekannt. Die Grafen von Zollern, jetzt wieder im unmittelbaren Besitz, verkauften in den Jahren 1345/46 ihr Dorf Ofterdingen an Friedrich Herter von Dußlingen als freies Eigen; es war also nicht mehr Lehen. Dabei ging auch der Adelssitz an die Herter über. Dies wird in den Jahren 1410/12 deutlich, als Jakob Herter von seinen Hofmaiern Grundstücke “um den Kirchhof herum” erwarb, um dort einen Graben und Wall sowie einen Zaun machen zu können. Dies läßt darauf schließen, dass aus dem vorhandenen einfachen Sitz eine stärker befestigte Burg werden sollte.

Wie weit Herter mit diesem Plan vorankam, ist unbekannt. Falls er sich damit jedoch Kosten aufgebürdet haben sollte, konnte dies nur seinen Ritterbankrott beschleunigen. Schon fünf Jahre später, im Jahr 1417, mußte Jakob Herter das Dorf Ofterdingen mit allem Besitz und Rechten an das Kloster Bebenhausen verkaufen. Eine “Behausung”, also wohl der herter`sche Wohnsitz, wird dabei nochmals ausdrücklich genannt. Über ihre Lage und ihr Aussehen erfahren wir auch diesmal nichts. Auch in der bebenhausischen Zeit gibt es darüber keine Nachrichten. Es ist vielmehr zu vermuten, dass das Kloster den Adelssitz alsbald beseitigte. Spuren dieses Vorgangs lassen sich vielleicht noch den archäologischen Befunden entnehmen: ein aus einer Pfostengrube gezogener Balken deutet auf einen Gebäudeabbruch hin - die Reste des beseitigten Kachelofens verschwanden in der Grube. Seinen neuen, befestigten Pfleghof erbaute das Kloster am östlichen Dorfrand, im heutigen “Burghof”.

So gut das Vorhandensein eines mittelalterlichen Adelssitzes in Ofterdingen auch belegt ist, so fraglich war bisher die Stelle der Burg. Dies gab zu manchen Spekulationen Anlaß. Oft wurde der bebenhausische Pfleghof mit dieser Burg identifiziert, was noch das Logo der Burghofschule geformt hat. Der Tübinger Geograf Hermann Ballarin konnte sich vorstellen, dass die Burg, inselförmig von der Steinlach umflossen, im Bereich der heutigen “Insel” lag. Schließlich schien zumindest das untere Geschoß des Kirchturms auf einen Wehrbau hinzuweisen. Die außergewöhnliche Mauerstärke des Turms gibt auch heute noch Rätsel auf.

Der Fund der Ofenkacheln und das Gutachten von Frau Dr. Schmid liefern nun erstmals den Beweis dafür, dass der Wohnsitz, also ein befestigtes Haus oder eine Steinburg des ansäßigen Adels, auf der kleinen Anhöhe nördlich der Aspergstraße und entlang der Berggasse lag. Verdächtig war schon immer der Name “Berggasse”, der nicht recht zur geografischen Lage passen will. Vielleicht handelt es sich ursprünglich um eine “Burggasse” ? Die Bezeichnungen “Berg” und “Burg” können im Lauf der Jahrhunderte gewechselt haben.

Lageplan des rechteckigen Platzes an der Berggasse

Merkwürdig ist auch der Name “Asperg” (1567 und 1823 “auf dem Asperg”). Diese Ortslage, die der heutigen Aspergstraße den Namen gegeben hat, liegt zwar innerhalb Etters, trägt aber eigentlich einen Flurnamen mit der Bedeutung "Eschenberg". “Auf dem Asperg” (heute Aspergstraße) lag einst auch der österreichische Lehenhof der “Hofbauern” Lutz. Daß sich an der heutigen Aspergstraße auch schon früh andere Höfe aufreihten, darf man aus dem Namen der Flur „hintern Höfen“ (so schon 1537) schließen, die sich im Westen anschließt. Häuserverzeichnisse des 19. Jahrhunderts lassen aber erkennen, dass sich der Schwerpunkt der Ortslage “Asperg” entlang der heutigen Berggasse und um den freien Platz auf der Anhöhe herum, und nicht entlang der heutigen Aspergstraße befand. Auch beim “Asperg” erhebt sich die Frage, ob die Anhöhe zu recht als “Berg” gesehen werden kann. Könnte auch hier eine Verformung von “Burg” vorliegen? Hat die Burg vielleicht den Namen “Eschenburg” getragen?

Über das nähere Aussehen dieses Adelssitzes sind keine sicheren Aussagen möglich. Auffällig ist der etwa rechteckige Platz, zu dem sich auf der Anhöhe die Berggasse erweitert. Er verlockt zu der vorschnellen Vermutung, hier könne der einstige Burghof liegen. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass der Platz unverändert aus dem 15. Jahrhundert stammt. Die Grenzen der Burgstelle könnten nach Süden und Westen durch die heutige Aspergstraße und die Steinlach gebildet worden sein. In nordöstlicher Richtung liegt die auffällige Rinne der Bindergasse, die die Burg ebenfalls begrenzt haben könnte. Ist diese Eintiefung als künstlicher Graben oder durch einen früheren Bachlauf entstanden? Für einen Bach scheint zu sprechen, dass die am oberen Ende der Bindergasse vorhandenen Hausbrunnen einen hohen Grundwasserstand anzeigen.
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