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Türsturz über der ehemaligen Rathauspforte

Nr. 14 - Ofterdinger Haus- und laufende Brunnen

Ofterdinger Haus- und laufende Brunnen und die Ehmann´sche Wasserversorgung von 1972/73

(Gerhard Kittelberger)

Die Lage des alten Dorfes Ofterdingen zu beiden Seiten der Steinlach dürfte kein Zufall sein, waren doch Wasserläufe immer schon die Lebensadern von Dörfern und Städten. An Bächen oder Flüssen sind auch die meisten alten Ansiedlungen vor rund 1.500 Jahren entstanden. Mit dem Anwachsen des Dorfes Ofterdingen dürfte aber die ungleichmäßige Wasserführung der Steinlach den Einwohnern bald keine ausreichende Versorgung mehr ermöglicht haben. Als Rinnsal versiegte sie fast im Sommer, bei Hochwasser wurde sie zum reißenden Strom.

Die Bewohner haben daher sicher auch aus Quellen Wasser geschöpft. Als alte Quelle, deren Wasser möglicherweise schon im Mittelalter genutzt wurde, ist der „Nonnenbrunnen“ (am oberen Nonnenweg) bekannt. Oberhalb der „Steig“ (heute Friedrichstraße), entspringt eine Wasserader, die im 19. Jahrhundert den Mühlebrunnen (in der Mühlstraße, nahe der ehemaligen Mühle) speiste. Von besonderer Bedeutung war aber der Grundwasserstrom in der mächtigen Kiesschicht, die das Steinlachbett begleitet. In seinem Bereich konnten mit verhältnismäßig geringem Aufwand Brunnenstuben gegraben werden, die mit Hilfe von Deichelleitungen Brunnen speisten. Solche sind Ende des 17. Jahrhunderts erwähnt, als 1690 und 1691 darüber geklagt wurde, dass Frauen „ob dem Brunnen“ und „ob dem Schulbrunnen“ wuschen. Wie dies zu verstehen ist, muß dahingestellt bleiben, doch dürfte es sich bereits um laufende Brunnen gehandelt haben. Öffentliche Ziehbrunnen scheint es in Ofterdingen nicht gegeben zu haben.

Die Ofterdinger Wasserversorgung zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Auf Veranlassung des Oberamts – damals noch des Oberamts Bebenhausen zu Lustnau – fand im Juli 1806 in Ofterdingen eine Sitzung von Vogtamt und Magistrat statt, die sich mit der öffentlichen Wasserversorgung befasste. Dem danach gefertigten Gerichtsprotokoll können wir entnehmen, dass es im Ort zwar 12 „Bronnen“ gab, aber trotzdem über die Unzulänglichkeit der Wasserversorgung geklagt wurde. Offenbar gelang es wegen der hohen Kosten nicht, die Brunnen in gutem Stand zu erhalten. Es wird bemängelt, einige Bürger müßten über die Steinlach, um „das Wasser, welches in Küche und in die Ställe erforderlich ist, herbei zu tragen“. Dies sei für die Menschen im Winter wegen des vielen Eises gefährlich. Ebenso könne beim Vieh, das zur Tränke getrieben werde, manches Unglück geschehen. Im Sommer wachse die Steinlach manchmal so stark an, „daß man nicht zu allen Bronnen kommen kann“. Im Protokoll heißt es, durch die Steinlach müßten „an vier Orten Bronnenteuchel geführt werden“. Daraus folgt, dass es auf beiden Seiten des Flusses Brunnen, und zwar Röhrenbrunnen, gab. Wenn sich auch ihre Lage aus diesen Angaben nicht erschließen läßt, kam ihr Wasser doch aus denselben Quellfassungen oder Brunnenstuben, die auch vor und nach 1872 genutzt wurden. Diese befanden sich – mit Ausnahme der Quelle des Mühlebrunnens - sämtlich südöstlich des alten Ortskerns, unweit der Landstraße.

Im Protokoll vom Juli 1806 findet sich auch ein Hinweis auf Hausbrunnen: “weil der hiesige Ort sehr weitläufig ist, so haben noch einige Bürger, wegen Entfernung der Bronnen, sich selbst auf ihre Kosten gegraben und Bronnen fertig machen lassen“.

Die Hausbrunnen

Es ist in Ofterdingen noch allgemein bekannt, dass es hier in der Vergangenheit zahlreiche Hausbrunnen gegeben hat. Sie befanden sich teils in den Hofräumen, teils neben den Gebäuden oder auch in Kellern. Die in der Regel mehrere Meter tiefen, gemauerten Brunnenschächte reichten bis unter den Grundwasserspiegel hinab. Mit dem Aufkommen moderner Technik wurde das Wasser mit Hilfe von Schwengel- oder Flügelpumpen gefördert. Wie es in älterer Zeit geschah, ist nicht bekannt. Der große Vorteil der Hausbrunnen war ihre Lage nahe bei den Häusern, was die Wasserversorgung unabhängig von den öffentlichen laufenden Brunnen ermöglichte.

Die Hausbrunnen scheinen im ganzen Dorfkern verbreitet gewesen zu sein. Sie lagen jedoch vorwiegend im Bereich des Kiesbetts der Steinlach, also im eher flachen Gelände auf der rechten Flußseite. Hier hatte nach Aussage von Ortskundigen jedes zweite oder dritte Haus einen eigenen Brunnen. Im Gegensatz dazu war ihre Anlage auf der gegenüberliegenden Seite, besonders auf der Lehr, wegen des felsigen Untergrunds kaum möglich. Gerade dort wären sie aber hilfreich gewesen, da die Bewohner dieses Ortsteils lange Zeit über die mangelhafte öffentliche Wasserversorgung klagten.

Heute sind die Hausbrunnen aus dem Ortsbild fast ganz verschwunden. Der Bau der Hauswasserleitung von 1922 hatte den Einwohnern erstmals den Luxus von fließendem Wasser in jedem Stall oder Wohnhaus beschert, wodurch der Vorteil der Hausbrunnen wegfiel. Die Hausbesitzer waren aber gut beraten, wenn sie sie weiterhin instand hielten und nicht zuschütteten. In der Zeit des Einmarsches der französischen Truppen im April 1945 bewiesen sie nochmals ihren Wert als unabhängige, unkomplizierte Wasserlieferanten. Als die Strom- und damit auch die Wasserversorgung zusammengebrochen waren, lieferten neben den alten laufenden Dorfbrunnen nur noch sie das benötigte Trinkwasser. Bald sah man wieder das aus der Vergangenheit vertraute Bild wassertragender Einwohner und des an den Brunnentrögen saufenden Viehs. Bequemer hatten es die Besitzer von Hausbrunnen und deren Nachbarn, die sich an den privaten Brunnen bedienen konnten.

Der Hausbrunnen an der Bachsatzstraße

Am Rande des Kreisverkehrs, im Hofraum der Häuser Bachsatzstraße 36 und 38, steht der vielleicht letzte noch heute im Ortsbild sichtbare Hausbrunnen. Im Jahr 2009 hat ihn Helmut Speidel, der Miteigentümer des Anwesens, ausbessern und wieder an seinen ursprünglichen Standort setzen lassen. Der Brunnentrog wurde um 180 Grad gedreht, wodurch seine bis dahin verdeckte Inschrift wieder lesbar geworden ist. Auch der Brunnenschacht ist erhalten geblieben, jetzt mit einer Sandsteinplatte abgedeckt, und die Schwengelpumpe steht wieder an der richtigen Stelle.

Mit diesem Brunnen kann Helmut Speidel Erzählungen aus seiner Kindheit und lebhafte Erinnerungen an seine Jugend verbinden. Der mit Natursteinen gemauerte Brunnenschacht ist demnach mehrere Meter tief und reichte ursprünglich bis in wasserführende Kiesschichten hinunter. Als die Gemeinde um 1900 mit der Tieferlegung und Überwölbung des Bachsatzgrabens, vorbei an der damaligen Wirtschaft „Zum Faß“, fortfuhr, versiegte der Brunnen. Dasselbe Schicksal traf die anderen Brunnen der Nachbarschaft wie den gegenüberliegenden des Wirts und Bierbrauers Hartmayer. Die Eigentümer, Michael und Jakob Lutz, sahen sich deshalb gezwungen, den Brunnen zu vertiefen. Zu diesem Zweck stellten sie ein Zementrohr von gut 80 cm Durchmesser hinein und ließen es durch weiteres Ausgraben in den Kies absinken, bis wieder Wasser kam. Die Gemeinde mußte ihnen 1903 einen Teil der dadurch entstandenen Kosten erstatten.

Gegen Ende des 2. Weltkrieges hatte die Schüttung nochmals nachgelassen, diesmal wegen Schlammablagerungen. Die Eigentümer entschlossen sich, den Brunnen zu reinigen, vielleicht bereits in der Vorahnung der kommenden Notzeit und Wasserknappheit. Für die Arbeit in dem engen Zementrohr stand kriegsbedingt offenbar nur der kleine, zwölfjährige Helmut zur Verfügung. So ließ man ihn mit Hilfe eines Dreibocks an einem Strick hinunter, aber nicht, ohne vorher die Ungefährlichkeit mit einer brennenden Kerze getestet zu haben. Der Dreibock wurde auch benötigt, um die mit Schmutz gefüllten Eimer heraufzuziehen. Helmut Speidel erinnert sich, dass das Wasser nach getaner Arbeit in einem armdicken Strahl in den Brunnenschacht hereinfloß. Ebenso wie Helmut Speidel weiß auch noch Karl Luz, wie in der Nachkriegszeit die ganze Nachbarschaft an diesem Hausbrunnen Wasser holte.

Die Entstehung des Hausbrunnens

Die heutigen Gebäude Bachsatzstraße 36 und 38, vor denen der Hausbrunnen steht, sind – damals noch als Einheit - im Gebäudekataster von 1823 verzeichnet. Ein Baujahr wird dabei nicht angegeben. Das zweistockige Haus Nr. 73 (später 88) „in der Bachsatz“ befand sich im Eigentum des Johann Bernhard Wörz (1768-1848). Sein Beruf wird als Schäfer oder auch Flecken-Schäfer angegeben. Er lebte seit 1795 in zweiter Ehe mit Apollonia, geb. Luz (1775-1856) und hatte mit ihr in der Zeit von 1796 bis 1819 elf Kinder. Von ihnen wuchsen nur 7 aus dem Kindesalter heraus.

Im Gegensatz zum Wohnhaus besitzt die dahinter stehende „Scheuer mit zwei Tennen“ eine Bauinschrift. Auf den Torbalken sind neben anderen Angaben das Baujahr 1813 und die Namen der Bauherrschaft: Bernhard Wörz, Schäfer, und Apollonia Luz verzeichnet. Man kann aber vermuten, dass das Wohnhaus etwa zur selben Zeit, vielleicht kurz vor der Scheuer, errichtet wurde. Dafür spricht auch, dass der dazugehörige Hausbrunnen nach seiner Inschrift aus dem Jahr 1811 stammt.

Von den 7 erwachsenen Kindern des Johann Bernhard Wörz blieben nur Leonhard (1800-1874) und Anna Maria (1802-1868) am Ort ansäßig. Einige Töchter heirateten nach auswärts, und zwei Söhne wurden Tierärzte: Johann Jakob (* 1808) Hoftierarzt in Stuttgart und Johann Bernhard (* 1817) Tierarzt in Rottenburg. Der Sohn Leonhard heiratete 1827 und bezeichnete sich dabei ebenfalls als Schäfer. Er erhielt aber erst nach dem Tode des Vaters (1848) die von ihm bewohnte Hälfte des Anwesens. Die andere Hälfte war bereits 1839 an die Tochter Anna Maria übergegangen, die 1830 den Metzger Johann Bernhard Steinhilber geheiratet hatte. Die beiden Hälften, die auf einem großen, durchgehenden Gewölbekeller ruhen, bestehen bis heute in Form eines Doppelhauses fort.

Die öffentliche Wasserversorgung bis um 1870

In den letzten Jahrzehnten beschwerten sich die Einwohner immer mehr über den mangelhaften Zustand der Wasserversorgung. Dies verwundert zunächst. Schon damals gab es nämlich recht viele Röhrenbrunnen mit Brunnentrögen, die von hölzernen Deichelleitungen gespeist wurden. Um 1870 wird jedoch erkennbar, dass sich der Zustand der Quellfassungen seit um 1800 nur wenig geändert bzw. gebessert hatte.

Dauernde Schwierigkeiten bereitete die Versorgung der Lehr (heute Schillerstraße). Die Bewohner der Lehr und der Goldgasse beklagten sich 1840 bei Gelegenheit eines oberamtlichen Ruggerichts, der Röhrenbrunnen liefere „nicht das ganze Jahr über das benötigte Wasser“. Da die Kläger die Herstellung eines Pumpbrunnens forderten, scheint der Wasserdruck der Deichelleitung im Sommer nicht ausgereicht zu haben. Der Gemeinderat beschloß daraufhin zwar, für den Betrieb eines „Gumpbronnens“ nach Wasser graben zu lassen. Die kostspielige Arbeit führte jedoch nicht zum Erfolg, besonders weil man wegen des felsigen Untergrunds nicht vorankam. So wurde das Loch wieder zugeschüttet und der Brunnen in seinen alten Zustand versetzt. Dieselben Klagen wiederholten sich 1868, als die Bewohner der Lehrgasse (obere Schillerstraße und Goldgasse) die Errichtung eines Brunnens forderten. Jetzt wurde beschlossen, in einem oberhalb gelegenen Steinbruch nach einer Quelle zu suchen.

Der Bachsatzbrunnen ließ im Herbst 1844 ganz nach, auch weil seine Wasserleitung unbrauchbar geworden war. Um Abhilfe zu schaffen, sollte eine neue Quelle aufgesucht und eine ganz neue Brunnenleitung hergestellt werden. Im Jahr 1870 war das Wasser des Brunnens beim „Rößle“ schlecht und ungenießbar und die hölzerne Deichelleitung des Mühlebrunnens schadhaft.

Schließlich beauftragte die Gemeinde den Rottenburger Oberamtsbaumeister Herrmann damit, alle Brunnen zu überprüfen. In seinem 1871 vorgelegten Gutachten stellte er der Wasserversorgung ein schlechtes Zeugnis aus. Er bemängelte den allgemeinen Übelstand, dass die Quellen und Deichelleitungen nicht ausreichend gegen das Eindringen von Oberflächenwasser geschützt waren. Er stellte fest, die Quellen liefen nach jedem Regen trübe und das Wasser schmecke bisweilen nach Gülle. Er schlug vor, sämtliche Brunnen besser zu fassen und nach und nach mit eisernen Teucheln zu versehen. Erstmals ist hier auch die Rede davon, „das unreine Wasser wirke offenbar auf den Gesundheitszustand der Bewohner ein“.

Diese umfangreiche Aufgabe, die praktisch auf eine grundlegende Erneuerung der Wasserversorgung hinauslief, scheinen sich Oberamt und Gemeinde nicht selbst zugetraut zu haben. Herrmann schlug vor, damit den „Herrn Ministerialbaurat Ehmann“ zu beauftragen. Der Ingenieur Karl Ehmann (1827-1889) stand zu dieser Zeit bereits in württembergischen Diensten und war als Spezialist in Fragen der Wasserversorgung bekannt. Er wurde 1869 Leiter des neu geschaffenen Staatlichen Wasserbauamtes und „Erster Staatstechniker für das öffentliche Wasser-Versorgungs-Wesen“. Seinen legendären Ruf als Schöpfer der Albwasserversorgung sollte er aber erst in den späteren 1870er Jahren begründen. Obwohl er 1870 mit dem Bau der ersten „Albgruppe“ bei Schelklingen begonnen hatte und schon dadurch stark belastet war, konnte er im November 1871 erstmals nach Ofterdingen kommen und die Sache „in Augenschein nehmen“.

Die Ehmann`sche Wasserleitung

Auch Ehmann beanstandete den „mangelhaften Zustand der höchst oberflächlich und unsachkundig angelegten Quellenfassungen sowie der großenteils nur hölzernen Teichellagen für die Wasserzuleitung“. Er stellte fest, dass schon die Quellenfassungen eine Menge gesundheitsschädlicher Verunreinigungen bewirkten. Die schlechten Leitungen verursachten außerdem durch ihre vielfach schadhaften und undichten Stellen einen bedeutenden Wasserverlust.

Seine Planungen, Kostenvoranschläge und die Ausschreibungsbedingungen faßte Ehmann in einem Heft zusammen. Als Beilage fügte er einen Ortsgrundriß hinzu, in dem die Brunnen und die gußeisernen Deichelleitungen eingezeichnet waren. (Eine Kopie dieser Planzeichnung ist im Museum ausgestellt). Diese Unterlagen gingen im August 1872 in Ofterdingen ein und wenige Tage später beschlossen Gemeinderat und Bürgerausschuß einstimmig den Bau der ganzen Anlage. In der geplanten Form wurde sie auch 1872 und 1873 mit nur wenigen Ausnahmen verwirklicht.

Leitungen und Brunnen teilte Ehmann in drei „Sektionen“ ein. Die erste Sektion speiste sich durch die noch heute vorhandene Quellfassung unterhalb des Hauses Aspergstraße 17. Dies scheint eine altbekannte Quelle gewesen zu sein. Eine Deichelleitung hatte nämlich schon zuvor nacheinander drei Brunnen versorgt. Der letzte von ihnen, die alle alte Brunnentröge besaßen, stand auf der anderen Steinlachseite, bei der späteren Molke. Beim Neubau von 1872 wurde auf der Brunnenstube selbst ein Pumpbrunnen errichtet. Die dorfabwärts folgenden Brunnen standen bei der späteren Wirtschaft „Zum Kühlen Brunnen“, auf der Insel und bei der späteren Molke. Wahrscheinlich hat man die alten Brunnen beibehalten und nur mit neuen Leitungen versehen. Außerdem sollte mit Hilfe einer Abzweigung auf der Insel ein Brunnen „auf der Lehr“, d.h. am oberen Ende der Metzgerstraße, angeschlossen werden. Bis zuletzt blieb jedoch fraglich, ob der Wasserdruck hier noch ausreichend sei, oder ob man nur einen Pumpbrunnen aufstellen könne. An eine Versorgung des Brunnens am oberen Ende der Goldgasse war demnach nicht zu denken.

Die längste Wasserleitung hatte die zweite Sektion, die an mehreren kleineren Quellen bei der „Krone“ ihren Anfang nahm. Auch hier ist die Rede von den „seitherigen alten Quellenstuben“. Die Rohre liefen den Bachsatz hinab und speisten Brunnen an der Abzweigung der Kirchstraße und in der Mittelgasse sowie vor dem Rathaus. Auch diese Leitung durchquerte die Steinlach und verzweigte sich auf der anderen Flußseite nach links bis zu den Brunnen an der Stellfalle (dem Beginn des Mühlgrabens) und am unteren Ende der Goldgasse. Die Abzweigung flußabwärts versorgte Brunnen in der Mühlstraße und in der Friedrichstraße. Dort, in der alten „Staig“, befand sich zwar schon ein Brunnen, der aber oft nur spärlich lief. Im Jahr 1873 beschloß man nachträglich, diesen Brunnen an die neue Leitung anzuschließen. Obwohl er unten in Nähe des Mühlkanals lag, sorgte man sich, ob „das Wasserquantum ausreiche“. Vorsichtshalber wurden statt laufender Brunnen an einigen Stellen nur Ventilbrunnen aufgestellt.

Die dritte Sektion erhielt ihr Wasser vom „sogenannten Nonnenbrunnen“. Ehmann scheint sich darüber zu wundern, dass diese Quelle „bisher nur einen einzigen 2-röhrigen Brunnen bei der Post speiste“. Dies deutet darauf hin, dass sie eine reichliche Schüttung besaß; auch über das Wasser wird nichts Nachteiliges berichtet. Der laufende Brunnen lag im Nonnenweg neben der Wirtschaft „Zum Ochsen“, die zu dieser Zeit die Postexpedition innehatte. Die durch Ehmann an die Quelle neu angeschlossene Leitung versorgte dann auch den Brunnen vor dem „Alten Schulhaus“ von 1864 und endete mit einem Brunnen in der Froschgasse.

Für die damalige Zeit war die Ehmann`sche Wasserleitung ein großer Fortschritt. Nicht nur hatte sich die Wasserqualität verbessert, sondern es stand durch die größere Anzahl der meist laufenden Brunnen auch mehr Wasser zur Verfügung. Es ist daher nicht erstaunlich, dass in den nächsten Jahrzehnten kaum noch an zusätzlichen Brunnen gearbeitet wurde. Für den abseits gelegenen Brunnen bei der Mühle wurde die „Quellenstube“ 1873 ausgebaut. Auf der wasserarmen Lehr gelang es um 1875 endlich, im heutigen Banweg eine Quelle zu fassen und auf der äußeren Lehr den sogenannten Lehrbrunnen zu errichten. Dieser große Brunnen mit zwei Trögen füllte die Ecke zwischen unterer Schillerstraße und Banweg aus.

Die öffentliche Wasserversorgungsanlage Ehmanns wurde erst durch den Bau der Hauswasserleitung von 1922 abgelöst. Die laufenden Brunnen wurden dadurch aber nicht nutzlos. Sie lieferten weiterhin kostenloses Wasser zum Gießen der Hausgärten, zur Autowäsche und zum Putzen der Mostfässer und dienten als Viehtränke. Als nach dem Kriegsende 1945 für kurze Zeit die Hauswasserleitung versiegte, mußten die alten Brunnen nochmals für die Wasserversorgung der Bevölkerung einspringen.

In den 1970er Jahren verschwanden alle alten Brunnen aus dem Ortsbild. Schon in den Jahrzehnten davor hatte man keine Notwendigkeit mehr gesehen, die Deichelleitungen von 1872/73 als Ganzes zu erhalten. Die gußeisernen Deichel wurden teils altershalber unbrauchbar, teils bei Straßenbauarbeiten zerstört. So waren schon vorher viele Brunnen versiegt.

Aber noch heute werden einige laufende Brunnen im Ort durch alte Quellfassungen gespeist, doch besitzen sie keine alten Steintröge mehr. Es sind durchweg modern gestaltete Brunnen. Bei der Betrachtung dieser Gruppe müssen die laufenden Brunnen vor dem Museum und vor der Bücherei unberücksichtigt bleiben. Sie verfügen zwar über alte Steintröge, doch stammt ihr Wasser nicht aus Quellen, sondern zirkuliert mit Hilfe elektrischer Pumpen.

Einen Sonderfall bildet der laufende Brunnen in der Friedrichstraße, neben der Abzweigung der Roosäckerstraße. Er bietet zwar mit altem Trog und Brunnensäule ein Bild aus dem 19. Jahrhundert, er wurde aber erst in jüngerer Zeit hier aufgestellt. Sein Wasser erhält er aus einer altbekannten Quelle, die früher vermutlich auch den Mühlebrunnen speiste.

Von den drei alten Quellfassungen des 19. Jahrhunderts werden heute noch zwei genutzt – der Nonnenbrunnen ist nicht dabei. Die Quellfassung in der Aspergstraße speist in alter Tradition den Brunnen auf der Insel, seit der Neugestaltung dieses Platzes inmitten einer Anlage mit Ruhebänken. Von den Wasserfassungen unterhalb der „Krone“ in der Bachsatz ist noch eine vorhanden, und zwar nahe der Abzweigung der Endelbergstraße von der Bachsatzstraße. Allerdings ist der Grundwasserspiegel abgesunken, so dass eine elektrische Pumpe das Wasser in der Brunnenstube anheben muß. Wie seit alters fließt das Wasser bachsatzabwärts bis in den Rathausbrunnen. In der Tradition des äußeren Lehrbrunnens steht der Brunnen am oberen Ende der Goldgasse. Wie im 19. Jahrhundert kommt sein Wasser aus Quellen am Banweg. Nur der Brunnen selbst steht nicht mehr an der ursprünglichen Stelle. Er wurde in die Grünanlage auf der anderen Seite der Schillerstraße versetzt. So besitzt Ofterdingen noch heute eigenes Brunnenwasser aus jahrhundertealten Quellen. Notfalls könnte das aus ihnen fließende Wasser ebenso unbedenklich gebraucht werden, wie dies in den 50 Jahren von 1872 bis 1922 oder im Jahr 1945 geschah.

Um einen Überblick über die früheren Ofterdinger Hausbrunnen, die Lage von Brunnenstuben und Wasserleitungen zu gewinnen, war ich auf zahlreiche Informanten angewiesen. Allen Gesprächspartnern sei auf diesem Wege für ihre wertvollen Auskünfte herzlich gedankt.

Quellen- und Literaturverzeichnis

  • Gemeindearchiv Ofterdingen:
    A 28, Brunnen und Quellen, 1870-1872,
    B 12, Gerichtsprotokolle, Bd. 2, 1806,
    B 18, Gemeinderatsprotokolle, 1842,
    B 19, Gemeinderatsprotokolle, 1843, 1844,
    B 22, Gemeinderatsprotokolle, 1856, 1858,
    B 24, Gemeinderatsprotokolle, 1868, 1870-1873,
    B 25, Gemeinderatsprotokolle, 1873, 1875, 1881,
    B 26, Gemeinderatsprotokolle, 1886, 1890,
    B 27, Gemeinderatsprotokolle XIII, 1895,
    B 68, Vogtgerichtsrezeßbuch, 1840,
    B 165 Gebäudekataster 1823,
    B 234, Feuerversicherungsbuch 1865, Teil I,
    B 166, Gebäude-Kataster 1907,
    Ra 3, Rechnungsbeilagen 1872, 1873,
    R 107, Gemeindepflegrechnung 1873.
  • Pfarrarchiv Ofterdingen:
    Fam. Reg. I, 315b, 353a, 369a,
    Fam. Reg. II, 252,
    Fam. Reg. III, 4,
    Kirchenkonventsprotokolle I, 1682-1723
    (Abschrift von Eberhard Hausch, S. 30, 34).
  • Festbuch Ofterdingen 2000, Seite 192 f.